Interview mit dem Tages-Anzeiger: Nun kann es mit dem kontrollierten Kiffen losgehen

Der Bund hat der Stadt Zürich grünes Licht für die Cannabis-Studie «Züri Can» gegeben. Auf diesen Moment haben sich einige Leute ganz besonders gefreut.


Menschen wie Massimo Castellucci, Sonia Bischoff oder Gregory Nöthiger können in Zürich schon bald Cannabis verkaufen, ohne eine Busse oder eine Anzeige zu riskieren. Auch ihre Kundinnen und Kunden müssen beim Rauchen der Joints nicht mit Restriktionen rechnen. Möglich macht dies die Studie «Züri Can – Cannabis mit Verantwortung» , die heute Mittwoch vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) grünes Licht erhalten hat. Der Plan, gemeinsam mit anderen Schweizer Städten unterschiedliche Bezugsmöglichkeiten von Cannabisprodukten zu untersuchen, existiert schon seit 2016. Das Gesuch aus Zürich für die «Züri-Can»-Studie war seit Juli 2022 beim BAG hängig. Die kantonale Ethikkommission hat dem Projekt schon im August 2022 zugestimmt. Cannabis ist die am meisten konsumierte illegale Substanz des Landes. Gemäss einer schweizweiten Befragung hat fast jede dritte Person über 15 Jahre bereits Erfahrungen damit gemacht. Und der Konsum steigt weiter an – obwohl dieser in der Schweiz genauso verboten ist wie Verkauf, Handel und Produktion von Cannabis.

Verkaufsstart im Juli

Um Pilotversuche zum kontrollierten Verkauf dieser illegalen Substanz zu ermöglichen – auch im Hinblick auf eine spätere Legalisierung –, hat das Parlament im September 2020 eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes verabschiedet. Die- ser sogenannte Experimentierartikel gilt seit Mitte Mai 2021 und ist auf zehn Jahre befristet. Zusammen mit der nun erteilten BAG-Bewilligung sind alle gesetzlichen Grundlagen geschaffen, damit die Hanfprodu- zenten mit dem Anbau der Pflanzen nach den Vorgaben der Studie beginnen können. «Wir freuen uns, nun endlich mit der Cannabis-Studie starten und so einen Beitrag zu einer modernen Drogenpolitik leisten zu können», sagt Stadtrat Andreas Hauri, Vorsteher des Gesundheits- und Umweltdepartements. Die erste Ernte wird im Juli 2023 erwartet. Der Verkauf der Cannabisprodukte startet deshalb erst nach den Sommerferien im August, und das ausschliesslich in zehn ausgewählten Apotheken, im Drogeninformationszentrum der Stadt Zürich (DIZ) und in Social Clubs. Sämtliche Bezugsstellen bieten zudem Beratungen an, für welche die Mitarbeitenden eine spezielle Schulung absolvieren müssen.

Social Clubs, eine Zürcher Spezialität Da die schweizweite Studie darauf abzielt, möglichst viele verschiedene Erfahrungswerte in Bezug auf die Abgabe von Cannabis zu sammeln, haben die Städte unterschiedliche Konzepte ausgearbeitet. Die Social Clubs gibt es nur in der Stadt Zürich. Es sind nicht kommerzielle Vereine, die im Rahmen der Pilotstudie Cannabis legal erwerben und an ihre Mitglieder weiterverkaufen dürfen. Sie führen dazu ein Vereinslokal, wo Clubmitglieder die Substanz auch gemeinsam konsumieren können.


Die Suche nach einem geeigneten Lokal, die Finanzierung, der Betrieb – für all das sind die Vereinsmitglieder selbst verantwortlich. Subventionen seitens der Stadt gibt es keine. Auch die Auswahl der Clubmitglieder ist anspruchsvoll, da die Teilnahme am Projekt streng reglementiert ist: Es sind nur «aktiv Konsumierende» zugelassen, die älter als 18 Jahre sind und in der Stadt Zürich wohnen.


Sogar ein Schwangerschaftstest ist nötig Jeder Club kann maximal 150 Personen aufnehmen, die in einem Einzelgespräch auf die Bedingungen der Studie hingewiesen und buchstäblich auf Herz und Nieren geprüft werden müssen. Selbst ein negativer Schwangerschaftstest ist Teil des Aufnahmeverfahrens, da Schwangere und Stillende nicht zum Pilot zugelassen sind. Ob jemand regelmässig kifft, wird wiederum mit einem Urintest überprüft. Später müssen die Teilnehmenden alle sechs Monate einen elektronischen Fragebogen ausfüllen. Auf Deutsch. Wer die Sprache nicht beherrscht, kann nicht mitmachen. Auch das müssen die Social Clubs beim Eintrittsgespräch überprüfen. Trotz dieser strengen Auflagen gingen bei der Stadt Zürich 34 Gesuche für die Studienteilnahme als Social Club ein. Nur zehn haben den Zuschlag bekommen – jeder mit einem anderen Konzept. Wir haben drei Vereinsmitglieder gefragt, warum sie unbedingt dabei sein wollten.


Massimo Castellucci, Vorstandsmitglied des Social Clubs «Many’s»


«Zurzeit kiffe ich nicht, aber eine der Voraussetzungen für die Vereinsmitglieder der Social Clubs war, dass man in der Vergangenheit Erfahrungen mit Cannabis gemacht hat. Aus dieser Zeit weiss ich, dass Cannabis eine sozialverträgliche Substanz ist. Man kann sie nutzen, um am Abend zu entspannen und am nächsten Tag wieder fokussiert zu arbeiten. Da ich Befürworter der Legalisierung bin, möchte ich das Projekt ‹Züri Can› mit meinem Wissen unterstützen. Für uns ist es wichtig, dass wir unseren Mitgliedern einen Safe Space sowie einen sozialen Mittelpunkt bieten. Einen Ort, wo man zusammenkommen und sich austauschen kann. Diese Idee hatten wir schon lange. Ein Freund von uns hat sogar schon unser Lokal visuell gestaltet. Leider ist er gestorben. Als bekannt wurde, dass diese Studie stattfindet, wussten wir, dass dies der erste Schritt zur Umsetzung unserer Idee sein würde. So gründeten wir unseren Verein, der zu Ehren unseres verstorbenen Freundes seinen Spitznamen ‹Many› trägt. Damit wir das Projekt umsetzen können, haben alle fünf Vorstandsmitglieder ihre Ersparnisse eingebracht. Wir sind natürlich schon seit längerem intensiv auf der Suche nach einer möglichen Location und bereits mit Vermietern im Gespräch. Ziel ist es, unseren Social Club zum Verkaufsstart hin zu öffnen – also im Juli dieses Jahres. Wir stellen uns einen Raum vor, wo sich unsere Mitglieder entspannen können. Der so gestaltet ist, dass man nach einem stressigen Arbeitstag runterfahren und seine Freizeit geniessen kann. Wir werden auch Getränke zum Selbstkos- tenpreis anbieten – Smoothies, Säfte, Tees etc. Snacks gibt es natürlich auch. Schliesslich wissen wir aus Erfahrung, dass nach dem Cannabiskonsum der ‹Kifferhunger› aufkommen kann und es ‹Munchies› braucht. Eine Kifferhöhle wird es ganz sicher nicht. Cannabis sollte immer ein Genussmittel bleiben und nicht zur Sucht werden. Auch dazu wollen wir mit unserem Social Club beitragen.»